Digital = unbürokratisch?!
Das Transparenzverlangen der Bürger*innen scheint sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt zu haben, nicht zuletzt, weil durch die Digitalisierung niederschwellige Zugänge zu Informationen zum Standard geworden sind. Außerdem ist sicherlich auch das Bewusstsein für Rechte im digitalen Raum (Stichworte: Urheberrecht & DSGVO) gestiegen. Transparenzanforderungen sind für Unternehmen und teilweise auch für Bürger*innen gestiegen, in anderen Ländern wird deutlich offener mit Informationen umgegangen – nicht verwunderlich, dass auch die Österreicher*innen Verbesserungen einfordern. Und nicht zuletzt ist auch allen klar, dass vorhandene Informationen auch unbürokratisch und für die Behörde fast ohne Kosten und Aufwand digital bereitgestellt werden können. Die Argumente für die Zurückhaltung von Informationen und für die Geheimhaltung werden immer dünner.
Langer Weg der Informationsfreiheit
Diese politische Forderung ist 2011 durch das Forum Informationsfreiheit verstärkt in die politische Debatte gekommen. Wirklich heiß diskutiert wird die Initiative seit 2013. In den Jahren darauf kam es aufgrund der langsam mahlenden Mühlen der Innenpolitik jedoch immer wieder zu Verzögerungen und Rückschritten. Erst bei den Koalitionsverhandlungen der ÖVP mit den Grünen im Jahr 2019 ist das Thema erneut ganz oben auf die politische Agenda gerückt: im Regierungsprogramm. Das ist vor allem den Grünen zuzurechnen, die neben Umwelt- und Klimaschutz auch Transparenz und Korruptionsbekämpfung als zentrale Anliegen vertreten haben.
Wozu braucht es in Österreich überhaupt ein Gesetz, dass mehr Politik- und Verwaltungstransparenz bringt? Das Recht auf umfassende Informationsfreiheit gegenüber dem Staat ist ein Menschenrecht, bestätigte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2013. Während bei den meisten anderen EU-Partnern das Grundrecht auf Information in den jeweiligen Verfassungen verankert ist, hat Österreich jedoch das Amtsgeheimnis im Verfassungsrang. Somit sind ein Gutteil der Handlungen der Verwaltung für die Bürger*innen intransparent und der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen. Im jährlichen “Right To Information”-Rating der NGOs Access Info Europe (AIE) und Centre for Law and Democracy (CLD) belegt Österreich – gemeinsam mit dem Inselstaat Palau – den unrühmlichen letzten Rang (von inzwischen 128 Staaten). Demokratiepolitisch besteht also Handlungsbedarf – auch um das Menschenrecht der Informationsfreiheit zu verankern.
Weniger Blackboxen – gut für Public Affairs-Profis
Auch wenn das natürlich kein dezidiertes Ziel des Informationsfreiheitsgesetzes ist, die Public Affairs Branche wird von größerer Informationsfreiheit profitieren. Je offener und transparenter Politik und Verwaltung ihre Entscheidungen treffen, desto besser lassen sich die dahinter liegenden Entscheidungsprozesse analysieren und auswerten. Gerade wenn Informationen digital bereitgestellt werden, wird die Arbeitsgrundlage im Public Affairs Management noch breiter.
Public Affairs Manager*innen als professionelle Interessensvertreter*innen sind es gewohnt, Informationen aus dem politischen Umfeld zu strukturieren und zu bewerten. Ein mehr an Information, ein niederschwelliger digitaler Zugang dazu und genauere Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen werden daher zu einer weiteren Professionalisierung der Branche führen. Die Argumente hinter Entscheidungen sind für Public Affairs Manager*innen ebenso interessant wie die beauftragten Experten*innen und Gutachter*innen. Das Amtsgeheimnis hat Blackboxen geschaffen, die durch die geplante Novelle aufgebrochen werden könnten.
Was nun zu erwarten ist
In einem föderalistischen Staat wie Österreich macht das aber nur Sinn, wenn nicht nur die Bundesverwaltung erfasst ist, sondern auch die weiteren Gebietskörperschaften. Mit den nun angesetzten weiteren Verhandlungen/Gesprächen zum Begutachtungsentwurf mit den Bundesländern und Gemeinden steht die Bundesregierung jedenfalls vor einer Sisyphusarbeit. Die Vielzahl an Bedenken und Partikular-Widerständen dort machen einen großen Wurf unwahrscheinlich. Auf die politische Lage – geprägt von Instabilität, Korruptionsskandalen und Vertrauensverlust – blickend hat der Österreich Transparenz und Offenheit so dringend nötig wie noch nie.
Nico Stella ist Senior Consultant bei Mastermind Public Affairs Consulting und Mitglied des Arbeitskreises Digital Public Affairs in der ÖPAV.