Digitale Lobbyisten: Wie sich das Berufsfeld der Public Affairs verändert
Autor*innen: Walter Osztovics, Kathrin Stoiser, Joachim Kurz, Nathalie Boyke, Anton Schögl | 31. März 2021
Die Aufgabe von LobbyistInnen – oder allgemeiner formuliert, die Aufgabe von Public Affairs – besteht darin, durch gezielte Kommunikation mit relevanten Stakeholdern die politische Agenda, das politische Klima und letztlich politische Entscheidungen im Sinne der eigenen Interessen mitzugestalten. Diese Aufgabe ist im Kern die gleiche geblieben, sie gilt für die heutigen Government Affairs Beauftragten vor ihren Tablets genauso wie einst für die grau gekleideten Herren (es waren fast durchwegs Herren), die in den Lederfauteuils der Hotellobbys auf Abgeordnete warten.
Hingegen hat sich das Umfeld, in dem lobbyiert wird, durch die Digitalisierung tiefgreifend gewandelt.
Politische Diskussionen finden vermehrt in digitalen Räumen statt – und somit auch die politische Willensbildung. Die Informationsbeschaffung und ‑verbreitung hat sich gewandelt. Das gilt sowohl für den professionellen Politikbetrieb als auch für Bürgerinnen und Bürger. Der Druck auf Unternehmen, sich (gesellschafts-)politisch zu positionieren ist gestiegen. Zugleich wird der Austausch mit der Politik kritischer beäugt denn je. Und nicht zuletzt wirft die Einkehr der Digitalisierung in den Bereich der Politik und der Public Affairs weitere ungelöste Fragen auf:
- Abhängigkeit von IT-Infrastruktur
- Technisches Know-how als Wettbewerbsfaktor
- der Wert von Vertraulichkeit (was online geschieht, wird aufgezeichnet und gespeichert)
- die Risiken hinsichtlich Online-Kriminalität
- die Einbindung aller Gesellschaftsschichten
Entlang dieser Spannungsfelder mussten und müssen auch die Methoden von Public Affairs und Lobbying angepasst und erweitert werden. Kurzum: Das Digitalzeitalter erfordert wahrscheinlich ein neues Berufsbild von Lobbyisten und Lobbyistinnen. Die Diskussion darüber steht noch am Anfang und das Bild wird sich weiter wandeln, weil sich die digitalen Instrumente selbst rasant weiterentwickeln. Im Folgenden werden daher Thesen formuliert, die bewusst als Anstoß gedacht sind. Beiträge von Public Affairs Experten sollen den Blick auf das Themenfeld erweitern.
These 1: Technologisches Know-how wird zur Berufsvoraussetzung
Digitale Tools unterstützen sämtliche Prozesse des Public Affairs Tätigkeitsfelds:
- Beschaffung von Informationen und Daten über laufende oder bevorstehende politische Initiativen
- Analyse von politischen Positionen, z.B. das bisherige Abstimmungsverhalten von Mitgliedern des Europäischen Parlaments (MEPs) oder die Aussagen von PolitikerInnen zu relevanten Issues – dafür gibt es inzwischen Algorithmen oder eigene Internet-Plattformen.
- Kommunikation mit den Stakeholdern
- Aufbau von Unterstützung durch Pressure Groups oder die allgemeine Öffentlichkeit
Zum Teil erfordern die digitalen Tools die Unterstützung durch spezialisierte IT-MitarbeiterInnen, doch kann das entsprechende Know-how keinesfalls zur Gänze delegiert werden, sondern muss unbedingt auch von den Public Affairs Verantwortlichen selbst erlernt werden.