„Digital Public Affairs ergänzt den traditionellen Werkzeugkasten“
1. April 2021
Dr. Peter Köppl, Präsident der Österreichischen Public Affairs Vereinigung (ÖPAV) im Interview mit Joachim Kurz.
Wie hat sich das Berufsfeld der Public Affairs durch die Digitalisierung verändert?
Köppl: Die Digitalisierung erfordert bestimmte Kompetenzen von PA-Leuten und dazu ein klares Verständnis des Zusammenspiels und der Wirkweisen von Digitalisierung mit Politik, Gesellschaft und Medien. Eine grundlegende Veränderung des Berufsfelds und des Berufsbildes sehe ich aber nicht.
Wie haben sich die Arbeitsweisen durch digitale Werkzeuge geändert – von der digitalen Kontaktverwaltung bis hin zu Online-Symposien?
Köppl: Diese Veränderungen der zusätzlichen technikbasierten Arbeitsebenen sind tatsächlich bahnbrechend, wenn auch nicht ganz neu, sondern in ihrer Entwicklung bereits seit vielen Jahren vorhanden. Dimension und Dynamik der Anwendung, ausgelöst durch die Notwendigkeiten der Corona-Pandemie, sind jedoch enorm.
Heißt das, dass aus den Lobbyist:innen Digitalexpert:innen werden? Drängen mehr Fachkräfte ohne klassischen Public Affairs-Background in das Feld?
Köppl: Nein, das sehe ich nicht, auch international nicht. Digital Public Affairs ist eine Ergänzung zum traditionellen Werkzeugkasten der Public Affairs, aber kein Ersatz. Und das wird auch so bleiben. Freilich verlangen die Möglichkeiten des Digital Campaignings, wie gesagt, neue Kompetenzen, die aktuell durchaus viel Platz am Markt haben. Aber: At the core lobbying will remain a people business based on personal interactions.
Ist das im Regierungsabkommen angekündigte „Transparenzpaket“ ein Resultat der Digitalisierung?
Köppl: Technische Möglichkeiten sind durchaus in der Lage, zu Transparenz beizutragen, das hat auch die Politik erkannt.
Wenn Informationen weniger exklusiv sind, braucht es dann noch die Lobbyisten als „Insider“?
Köppl: Natürlich wird es Lobbyisten in einer Demokratie immer brauchen, auch im Sinne von Übersetzern, als Politik- und Themenkennern. Es wird ja auch die Politik nicht durch Digitalisierung und Informationsflut ersetzt.
Was erwarten Sie sich für die Public Affairs-Branche vom Transparenzpaket?
Köppl: Ich persönlich erwarte mir eine für alle gesellschaftlichen Stakeholder präzise Definition von Transparenz und eine offene Debatte darüber, außerdem eine adäquate Bereitstellung von für die Öffentlichkeit relevanten Informationen aus dem System Politik.
Was sind heute die Anforderungen an einen Public Affairs-Manager? Kurzum: muss ein/e Lobbyist/in heute auch „digital“ können?
Köppl: Die zeitlosen Anforderungen an PA-Manager:innen bleiben: ein hohes Maß an Politikverständnis, eine hohe Analyse‑, Interpretations- und Recherche-Kompetenz, exzellentes strategisches und taktisches Know-how, Verhandlungssicherheit, Empathie und Sicherheit in allen Formen der Kommunikation. Dazu kommt jetzt noch die Fähigkeit, digitale Prozesse verstehen, einordnen und bewerten zu können. Versteht man digitales Lobbying als “advocating via blogs, social media, video and other online tools“ (so die Definition des Public Affairs Council in Washington), dann zählt das sicherlich mehr und mehr zum Rüstzeug heutiger Lobbying-Profis.
Sie waren ja auch Leiter des Public Affairs-Lehrganges an der Universität Wien. Welchen Anteil würde Digital Public Affairs in einem Ihrer Seminare im Jahr 2021 einnehmen?
Köppl: Digital Public Affairs wäre heute sicherlich eines der Hauptfächer.
Gibt es sonst neue Disziplinen, die in PA-Lehrgänge inkludiert werden sollten?
Köppl: Ein Mehr an Wissensvermittlung über Gesetzesentstehung, Volkswirtschaft und Psychologie wäre auch gut.
Ein wichtiger Bestandteil von Public-Affairs-Jobs ist Beziehungspflege und Vertrauensbildung mit Stakeholdern. Inwieweit lässt sich das digital bewältigen?
Köppl: Meiner persönlichen Meinung und Erfahrung nach nur sehr bedingt. Meetings abhalten, Informationen austauschen, das ist über Videocalls alles großartig möglich. Aber vertrauensvolle, vertrauliche oder informelle Gespräch brauchen Präsenz, brauchen erlebbare Gestik, Mimik und eine räumliche Nähe.
Was können wir in puncto Digitalisierung von andere Ländern lernen?
Köppl: In Sachen Digitalisierung allgemein: jahrelange Lippenbekenntnisse und Ankündigungen reichen halt leider nicht aus, um ein Land, eine Gesellschaft digital fit zu machen. Für Public Affairs: Auch in Sachen DPA kochen alle nur mit Wasser. So wie wir.
Was sind die größten Herausforderungen für die Branche durch die Digitalisierung? Worin sehen Sie die Chancen?
Köppl: Die große Herausforderung besteht darin, DPA als das zu integrieren, was es ist – eine wunderbare, vielfältige, unterhaltsame und teilweise wirkmächtige Ergänzung des Instrumenten-Repertoires der Public Affairs. Ganz allgemein führt die Digitalisierung von Politik, Medien, NGOs, Aktivisten und Unternehmen zu einem massiv steigenden Wettbewerb um politische Aufmerksamkeit, gehört und akzeptiert zu werden. Die Handlungs-Arenen dehnen sich durch diese marktförmig organisierte und Mediagenität nutzende Interessensartikulation daher teilweise gewaltig aus. Das bringt ganz grundsätzlich der Public Affairs – in Budgets, Aufträgen und Jobs – ein bereits sichtbares, deutliches Wachstum. Die Herausforderung für Public Affairs in dieser schrillen Hyperdemokratie besteht meiner Meinung nach klar darin, im Sinne des Auftrags zu erkennen, was wirklich wichtig ist und jene Schritte setzen zu können, die auch wirklich zur Erreichung des Kernziels beitragen können. Ohne den Bottomline Impact wäre Public Affairs obsolet.