Die Krux mit den Umfragedaten

Autorin: Chris­ti­na Helf | 30. März 2022

Echtzeit-Daten gelten als Gamechanger der Umfragewelt. Das Berliner Umfrageinstitut Civey macht sich mit einer neuartigen Erhebungsmethode den Trend zunutze.

Daten sind das neue Gold der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­welt. Sie sind ein Schatz, den Orga­ni­sa­tio­nen bes­ser vor­ges­tern als heu­te erhe­ben soll­ten. Denn was ges­tern viel­leicht noch als “tren­dig” oder rich­tig galt, kann in weni­gen Stun­den schon “old news” sein. Kon­ven­tio­nel­le Umfra­ge­me­tho­den wie Tür zu Tür oder Tele­fon-Inter­views, die oft lan­ge dau­ern und teu­er sind, ste­hen daher zuneh­mend auf dem Prüf­stand. Die Krux liegt in der Schnel­lig­keit und Qua­li­tät der Daten­er­fas­sung. Das Ber­li­ner Unter­neh­men Civey mischt den Polit-Betrieb für Umfra­gen in Deutsch­land auf – mit einer neu­en Her­an­ge­hens­wei­se. Was macht es anders? Der Arbeits­kreis Digi­tal Public Affairs hat recherchiert!


Umfra­gen sind in den letz­ten Jah­ren immer mehr unter Ver­ruf gera­ten. Nicht nur, dass es immer schwie­ri­ger wird, die rich­ti­gen Men­schen zur Teil­nah­me zu bewe­gen – auch der Zeit­punkt und die Art der Erhe­bungs­me­tho­den wer­den ver­mehrt ange­zwei­felt. Gera­de vor Wah­len lagen Umfra­gen in der Ver­gan­gen­heit daher manch­mal kom­plett falsch. Zum Bei­spiel sag­ten fast alle Pro­gno­sen einen Sieg Hil­la­ry Clin­tons über Trump vor­aus – und lagen dane­ben. Fakt ist: Ob eine Daten­er­he­bung seri­ös ist, hängt neben der Anzahl der befrag­ten Per­so­nen von ver­schie­de­nen Fak­to­ren ab. Wähler_innen wer­den zudem kom­ple­xer, ihre Mei­nun­gen ändern sich schnel­ler und wer­den durch Kri­sen wie Pan­de­mien und Krie­ge stark beein­flusst. Soll­te auf Umfra­gen des­halb ver­zich­tet wer­den? Oder soll­ten sich die Metho­den für Umfra­gen ein­fach ändern? Das Unter­neh­men Civey hat sich zu Zwei­te­rem entschieden.

Stef­fen Braun, VP Sales und Part­ner bei Civey. Civey ist eine Wort­krea­ti­on und setzt sich aus „citi­zen und sur­vey“ zusammen.

Stef­fen Braun ist Part­ner und VP Sales bei Civey, einem Unter­neh­men für digi­ta­le Markt- und Mei­nungs­for­schung in Deutsch­land, das Daten fort­lau­fend online erhebt. Nach nur weni­gen Jah­ren ist das Ber­li­ner Unter­neh­men im Big Game der Umfra­ge­insti­tu­te ange­kom­men. Zu sei­nen Kun­den zäh­len poli­ti­sche Entscheider_innen eben­so wie Par­tei­en, Unter­neh­men oder Agen­tu­ren. Mit über 100 Mitarbeiter_innen lässt Civey sein Start­up-Image zumin­dest am Papier hin­ter sich. Die dis­rup­ti­ven Ideen sind geblieben:

Ein breites Mediennetzwerk als Multiplikator

In der Online-Dis­kus­si­ons­run­de mit dem Arbeits­kreis erklärt Stef­fen Braun, wie man bei Civey im Gegen­satz zu her­kömm­li­chen Insti­tu­ten mit Umfra­ge­da­ten arbei­tet: Die Panelis­ten wer­den über Umfra­gen auf Medi­en­platt­for­men rekru­tiert. Ihre Ant­wor­ten wer­den von Algo­rith­men reprä­sen­ta­tiv umge­rech­net und in Echt­zeit an die User_innen aus­ge­spielt. Dafür hat Civey ein gro­ßes Netz­werk von Medi­en­part­nern zur Ver­fü­gung, über die es Umfra­gen ver­öf­fent­licht. Dar­un­ter fal­len Platt­for­men wie der Spie­gel, t‑online, das Han­dels­blatt, Focus online und Spe­cial Inte­rest Medi­en. Der Vor­teil: Civey plat­ziert sei­ne Fra­gen orga­nisch an den Stel­len, an denen sich Men­schen mit ähn­li­chen Inter­es­sen tummeln.

Ein ausgeklügeltes Anreizsystem

Rund eine Mil­li­on veri­fi­zier­te Men­schen zäh­len zum Panel von Civey, die monat­lich zu den unter­schied­lichs­ten The­men bei Civey abstim­men. Dass so vie­le Men­schen mit­ma­chen, liegt an sei­nem aus­ge­klü­gel­ten Anreiz­sys­tem. Denn für jede Beant­wor­tung erhal­ten die Teilnehmer_innen eine unmit­tel­ba­re Beloh­nung in Form eines reprä­sen­ta­ti­ven Gesamt­ergeb­nis­ses. Damit schlägt Civey sei­ne Kon­kur­renz nicht nur in Sachen Geschwin­dig­keit bei der Aus­spie­lung der Daten, son­dern v.a. bei der Reich­wei­te. Denn das gro­ße Pro­blem bei Umfra­gen liegt dar­in, dass Men­schen oft schlicht­weg die „Lust“ dazu fehlt, bei Umfra­gen mit­zu­ma­chen – egal, ob per Tele­fon, auf der Stra­ße oder online.

Die Beloh­nung sei von Anfang an eine zen­tra­le Erfolgs­zu­tat des Pro­jekts gewe­sen, erklärt Stef­fen Braun. Ob es funk­tio­nie­ren wür­de, war nicht gleich klar. Über die Jah­re per­fek­tio­nier­te das Team bei Civey die Metho­dik: Wich­tig sei, dass kei­ne 25 Fra­gen zu einem The­ma gestellt wer­den, son­dern dass sich die­se durch­mi­schen, um das Inter­es­se des Teil­neh­men­den nicht zu rasch zu ver­lie­ren und gleich­zei­tig auch sta­tis­tisch not­wen­di­ge Schrit­te zu gehen.

Gra­fik: Bei­spiel einer Civey-Umfra­ge zur Zufrie­den­heit der Deut­schen mit dem Koali­ti­ons­ver­trag der Ampel­ko­ali­ti­on. Mehr dazu hier.

Transparenz schafft Vertrauen

Ein wei­te­res Unter­schei­dungs­merk­mal von Civey liegt in der Trans­pa­renz. Jedes Ergeb­nis von Civey ist offen zugäng­lich. Besucher_innen der Medi­en-Web­sei­ten bekom­men im Anschluss das Ergeb­nis gleich ange­zeigt. Neben der eigent­li­chen Umfra­ge wer­den im ers­ten Schritt Zusatz­da­ten wie Alter, Geschlecht und Post­leit­zahl abge­fragt. Außer­dem wer­den meh­re­re Umfra­gen in Fol­ge durch­ge­führt. Die Algo­rith­men veri­fi­zie­ren in einem län­ge­ren Pro­zess die Teil­neh­men­den. Nur deren Ant­wor­ten flie­ßen in die quo­tier­ten Stich­pro­ben ein, die im Anschluss noch nach­ge­wich­tet wer­den. Die Teil­neh­mer an den Umfra­gen sehen somit sofort das reprä­sen­ta­ti­ve Ergeb­nis. Damit trimmt sich das Unter­neh­men selbst von Beginn an hin, rich­tig zu lie­gen. „Trans­pa­renz ist uns wich­tig für die Nut­zer und zwingt uns auch, unse­re Arbeit gut zu machen“, betont Stef­fen Braun. Den berühm­ten „Gift­schrank“, wo jene Ergeb­nis­se hin­ein­wan­dern, die dem Kun­den „nicht gefal­len“, gibt es durch die Trans­pa­renz bei Civey nicht mehr. Damit will Civey auch sei­nen Bei­trag leis­ten, den ange­schla­ge­nen Ruf von Umfra­gen zu reha­bi­li­tie­ren und Ver­trau­en zurückzugewinnen.

Frage der Repräsentativität

Beson­ders in den Anfangs­jah­ren war Civey aber auch mit Kri­tik zur Reprä­sen­ta­ti­vi­tät sei­ner Ergeb­nis­se kon­fron­tiert. Stef­fen Braun erklärt: 

„Jede Befra­gungs­form erreicht man­che Grup­pen bes­ser als ande­re. Wir bei Civey errei­chen sicher nicht die Gesamt­be­völ­ke­rung. Das ist mit Tele­fon­um­fra­gen oder Face to Face auch nicht mög­lich. Aber die Inter­net­nut­zung liegt in Deutsch­land bei über 95 Pro­zent. Wir wis­sen daher sehr gut, wen wir errei­chen, wir ken­nen unse­re Verzerrungen.“

In Zukunft möch­te Civey sei­ne neu­ar­ti­ge Umfra­ge­me­tho­de auch Kun­den im Aus­land zugäng­lich machen. Die Expan­si­on in den EU-Big5 Raum oder den DACH-Raum sei in naher Zukunft geplant.

Wir sind freu­dig gespannt!