Echtzeit-Daten gelten als Gamechanger der Umfragewelt. Das Berliner Umfrageinstitut Civey macht sich mit einer neuartigen Erhebungsmethode den Trend zunutze.
Daten sind das neue Gold der Kommunikationswelt. Sie sind ein Schatz, den Organisationen besser vorgestern als heute erheben sollten. Denn was gestern vielleicht noch als “trendig” oder richtig galt, kann in wenigen Stunden schon “old news” sein. Konventionelle Umfragemethoden wie Tür zu Tür oder Telefon-Interviews, die oft lange dauern und teuer sind, stehen daher zunehmend auf dem Prüfstand. Die Krux liegt in der Schnelligkeit und Qualität der Datenerfassung. Das Berliner Unternehmen Civey mischt den Polit-Betrieb für Umfragen in Deutschland auf – mit einer neuen Herangehensweise. Was macht es anders? Der Arbeitskreis Digital Public Affairs hat recherchiert!
Umfragen sind in den letzten Jahren immer mehr unter Verruf geraten. Nicht nur, dass es immer schwieriger wird, die richtigen Menschen zur Teilnahme zu bewegen – auch der Zeitpunkt und die Art der Erhebungsmethoden werden vermehrt angezweifelt. Gerade vor Wahlen lagen Umfragen in der Vergangenheit daher manchmal komplett falsch. Zum Beispiel sagten fast alle Prognosen einen Sieg Hillary Clintons über Trump voraus – und lagen daneben. Fakt ist: Ob eine Datenerhebung seriös ist, hängt neben der Anzahl der befragten Personen von verschiedenen Faktoren ab. Wähler_innen werden zudem komplexer, ihre Meinungen ändern sich schneller und werden durch Krisen wie Pandemien und Kriege stark beeinflusst. Sollte auf Umfragen deshalb verzichtet werden? Oder sollten sich die Methoden für Umfragen einfach ändern? Das Unternehmen Civey hat sich zu Zweiterem entschieden.
Steffen Braun ist Partner und VP Sales bei Civey, einem Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsforschung in Deutschland, das Daten fortlaufend online erhebt. Nach nur wenigen Jahren ist das Berliner Unternehmen im Big Game der Umfrageinstitute angekommen. Zu seinen Kunden zählen politische Entscheider_innen ebenso wie Parteien, Unternehmen oder Agenturen. Mit über 100 Mitarbeiter_innen lässt Civey sein Startup-Image zumindest am Papier hinter sich. Die disruptiven Ideen sind geblieben:
Ein breites Mediennetzwerk als Multiplikator
In der Online-Diskussionsrunde mit dem Arbeitskreis erklärt Steffen Braun, wie man bei Civey im Gegensatz zu herkömmlichen Instituten mit Umfragedaten arbeitet: Die Panelisten werden über Umfragen auf Medienplattformen rekrutiert. Ihre Antworten werden von Algorithmen repräsentativ umgerechnet und in Echtzeit an die User_innen ausgespielt. Dafür hat Civey ein großes Netzwerk von Medienpartnern zur Verfügung, über die es Umfragen veröffentlicht. Darunter fallen Plattformen wie der Spiegel, t‑online, das Handelsblatt, Focus online und Special Interest Medien. Der Vorteil: Civey platziert seine Fragen organisch an den Stellen, an denen sich Menschen mit ähnlichen Interessen tummeln.
Ein ausgeklügeltes Anreizsystem
Rund eine Million verifizierte Menschen zählen zum Panel von Civey, die monatlich zu den unterschiedlichsten Themen bei Civey abstimmen. Dass so viele Menschen mitmachen, liegt an seinem ausgeklügelten Anreizsystem. Denn für jede Beantwortung erhalten die Teilnehmer_innen eine unmittelbare Belohnung in Form eines repräsentativen Gesamtergebnisses. Damit schlägt Civey seine Konkurrenz nicht nur in Sachen Geschwindigkeit bei der Ausspielung der Daten, sondern v.a. bei der Reichweite. Denn das große Problem bei Umfragen liegt darin, dass Menschen oft schlichtweg die „Lust“ dazu fehlt, bei Umfragen mitzumachen – egal, ob per Telefon, auf der Straße oder online.
Die Belohnung sei von Anfang an eine zentrale Erfolgszutat des Projekts gewesen, erklärt Steffen Braun. Ob es funktionieren würde, war nicht gleich klar. Über die Jahre perfektionierte das Team bei Civey die Methodik: Wichtig sei, dass keine 25 Fragen zu einem Thema gestellt werden, sondern dass sich diese durchmischen, um das Interesse des Teilnehmenden nicht zu rasch zu verlieren und gleichzeitig auch statistisch notwendige Schritte zu gehen.
Transparenz schafft Vertrauen
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal von Civey liegt in der Transparenz. Jedes Ergebnis von Civey ist offen zugänglich. Besucher_innen der Medien-Webseiten bekommen im Anschluss das Ergebnis gleich angezeigt. Neben der eigentlichen Umfrage werden im ersten Schritt Zusatzdaten wie Alter, Geschlecht und Postleitzahl abgefragt. Außerdem werden mehrere Umfragen in Folge durchgeführt. Die Algorithmen verifizieren in einem längeren Prozess die Teilnehmenden. Nur deren Antworten fließen in die quotierten Stichproben ein, die im Anschluss noch nachgewichtet werden. Die Teilnehmer an den Umfragen sehen somit sofort das repräsentative Ergebnis. Damit trimmt sich das Unternehmen selbst von Beginn an hin, richtig zu liegen. „Transparenz ist uns wichtig für die Nutzer und zwingt uns auch, unsere Arbeit gut zu machen“, betont Steffen Braun. Den berühmten „Giftschrank“, wo jene Ergebnisse hineinwandern, die dem Kunden „nicht gefallen“, gibt es durch die Transparenz bei Civey nicht mehr. Damit will Civey auch seinen Beitrag leisten, den angeschlagenen Ruf von Umfragen zu rehabilitieren und Vertrauen zurückzugewinnen.
Frage der Repräsentativität
Besonders in den Anfangsjahren war Civey aber auch mit Kritik zur Repräsentativität seiner Ergebnisse konfrontiert. Steffen Braun erklärt:
„Jede Befragungsform erreicht manche Gruppen besser als andere. Wir bei Civey erreichen sicher nicht die Gesamtbevölkerung. Das ist mit Telefonumfragen oder Face to Face auch nicht möglich. Aber die Internetnutzung liegt in Deutschland bei über 95 Prozent. Wir wissen daher sehr gut, wen wir erreichen, wir kennen unsere Verzerrungen.“
In Zukunft möchte Civey seine neuartige Umfragemethode auch Kunden im Ausland zugänglich machen. Die Expansion in den EU-Big5 Raum oder den DACH-Raum sei in naher Zukunft geplant.
Wir sind freudig gespannt!
https://oepav.at/wp-content/uploads/2022/03/browser-ga31d6c182_1280.png9411280digitalcheckhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngdigitalcheck2022-03-30 17:37:152022-03-31 10:42:37Die Krux mit den Umfragedaten