Online ist keine Compliance-freie Zone

Autor: Feri Thier­ry & Mar­ti­na Friedl | 08. Juli 2021

Essenseinladungen, Druckkostenbeiträge und Geschenke waren Fragen, mit denen wir uns früher rechtlich auseinandersetzen mussten. Heute ist die Public Affairs-Arbeit erfreulicherweise auch in der Breite der Branche professioneller geworden. Ethikstandards und rechtliche Bestimmungen haben für mehr Klarheit und Qualität gesorgt. Compliance, also das „Verhalten in Übereinstimmung mit und das Einhalten von rechtlichen sowie regulativen Vorgaben“, ist heute etablierter Standard in den meisten Organisationen und insbesondere in der Interessenvertretung von Unternehmen, Verbänden und NGOs. Und das hilft, Rechtssicherheit zu schaffen, verantwortungsvoll zu agieren und mögliche Risiken zu minimieren.

In den letz­ten Jah­ren deut­lich an Bedeu­tung gewon­nen hat der Online-Bereich: Zum einen wur­den spä­tes­tens mit der Coro­na-Pan­de­mie Video­calls zu einem selbst­ver­ständ­li­chen Teil des Dia­logs mit poli­ti­schen Stake­hol­dern, zum ande­ren spie­len Sozia­le Medi­en eine pro­mi­nen­te­re Rol­le in der Kom­mu­ni­ka­ti­on von Posi­tio­nen und Anlie­gen. Fra­gen der Ver­trau­lich­keit, des Daten­schut­zes, der Trans­pa­renz haben dadurch an Bedeu­tung gewon­nen. Glei­cher­ma­ßen wie in der rea­len Welt gilt auch hier, gesetz­li­che Vor­ga­ben und ethi­sche Stan­dards ein­zu­hal­ten. Die wich­tigs­ten Anwen­dungs­be­rei­che wol­len wir hier skizzieren:

Datenschutz

Die Daten­schutz­grund­ver­ord­nung (DSGVO) ist ins­be­son­de­re für den Ein­satz von E‑Mail-News­let­tern zu beach­ten. Den­ken Sie dar­an, beim Ver­sand von Mails an meh­re­re Per­so­nen gleich­zei­tig, die Mail-Adres­sen in das Feld für Blind­ko­pie (bcc) zu set­zen, um die Kon­takt­da­ten der Empfänger:innen nicht öffent­lich zu machen. Der Unter­schied, ob die Nach­rich­ten per E‑Mail oder als News­let­ter über einen Dritt­an­bie­ter ver­sen­det wer­den, liegt u.a. dar­in, dass man mit dem Dritt­an­bie­ter einen Auf­trags­ver­ar­bei­ter­ver­trag abschlie­ßen muss, und die Ein­hal­tung der DSGVO durch den Drit­ten sicher­ge­stellt wer­den muss. Die Zusen­dung von Wer­be­mails oder ‑inhal­ten wird auch wei­ter­hin in § 107  Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­setz (TKG) geregelt.

Digitale Partizipation

Digi­ta­le Anwen­dun­gen eröff­nen neue Chan­cen, Posi­tio­nen und Anlie­gen in den poli­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zess ein­zu­brin­gen. Begut­ach­tungs­ver­fah­ren von Geset­zes­ent­wür­fen wer­den auf der Web­site des Par­la­ments abge­bil­det und bie­ten die Mög­lich­keit, schrift­li­che Stel­lung­nah­men abzu­ge­ben. Den Link zum dafür vor­ge­se­he­nen For­mu­lar fin­den Sie am Ende des jewei­li­gen Begut­ach­tungs­tex­tes. Damit bie­tet der Gesetz­ge­ber einen nie­der­schwel­li­ge Zugang zum demo­kra­ti­schen Pro­zess und erleich­tert die Arbeit von Interessenvertreter:innen.

Virtuelle Stakeholdergespräche

Video­kon­fe­renz-Tools haben sich zu einem Stan­dard für Stake­hol­der­ge­sprä­che ent­wi­ckelt und wer­den es neben dem per­sön­li­chen Gespräch auch blei­ben. Bei der Aus­wahl des Tools sind Daten­schutz­re­geln beson­ders rele­vant. Beach­ten Sie, dass kei­ne sen­si­blen oder per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten über ein Video­kon­fe­renz-Tool aus­ge­tauscht wer­den. Eine Auf­zeich­nung der Gesprä­che (und auch die Wider­ga­be in sozia­len Medi­en) darf nur mit vor­he­ri­ger Ein­wil­li­gung aller Betei­lig­ten erfol­gen. Schüt­zen Sie Ihre Video-Kon­fe­ren­zen mit Pass­wör­tern oder sons­ti­gen Zugangs­be­schrän­kun­gen, die nur Ihren Gesprächs­part­nern bekannt gege­ben werden.

Sichere Online-Events

Beson­ders sen­si­bel sind Online-Events, die häu­fig sehr offen gehal­ten und somit einer grö­ße­ren Öffent­lich­keit zugäng­lich sind. Die Tat­sa­che, dass ich mein Publi­kum nicht real sehe, kann zur Situa­ti­on ver­lei­ten, „frei spre­chen“ zu kön­nen. Dabei sind Online-Events leich­ter mit­zu­schnei­den und damit jede Aus­sa­ge auch ein­fa­cher zu doku­men­tie­ren. Es soll­te auch hier – wie bei jedem Gespräch mit poli­ti­schen Entscheidungsträger:innen – der Grund­satz gel­ten: Sagen Sie nur das, was Sie auch am nächs­ten Tag in der Zei­tung (oder in ver­öf­fent­lich­ten Han­dy-Chat-Pro­to­kol­len) lesen wol­len würden.

Eine Beson­der­heit der Online­welt ist, dass die Urhe­ber­schaft von Con­tent oder Initia­ti­ven teil­wei­se schwe­rer nach­zu­voll­zie­hen ist. Das zei­gen Social Media-Accounts oder ‑Kam­pa­gnen, deren Hin­ter­grün­de nicht immer erkenn­bar sind. Tech­nisch ist die Urhe­ber­schaft dafür leich­ter nach­voll­zieh­bar, weil IP-Adres­sen rück­ver­folg­bar sind. Und das neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platt­for­men­ge­setz wid­met sich auch die­sem Thema.

Responsible Lobbying

Dar­über hin­aus soll­ten Sie immer beden­ken: Es ist nicht immer legi­tim, was gesetz­lich erlaubt ist. Hier beginnt „Respon­si­ble Lob­by­ing“. Kodi­ces wie jener der Öster­rei­chi­schen Public Affairs-Ver­ei­ni­gung (ÖPAV) oder der Deut­schen Gesell­schaft für Poli­tik­be­ra­tung (dege­pol) geben Richt­li­ni­en vor, die über das gesetz­lich Vor­ge­schrie­be­ne hin­aus­ge­hen. Ver­ant­wor­tung bedeu­tet, die­se Richt­li­ni­en zu leben. Denn mehr Inte­gri­tät in poli­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zes­sen stärkt das Ver­trau­en in die Poli­tik – und das ist wie­der­um die Basis für eine sta­bi­le und wehr­haf­te Demokratie.

Buch­tipp: „Com­pli­ance in Public Affairs”; Friedl/Kindl/Krakow/Thierry; Novem­ber 2012, Lexis­Ne­xis ARD ORAC

Mag. Mar­ti­na Friedl ist seit Schülervertreter:innen-Tagen im poli­ti­schen Sozio­top aktiv. Die Juris­tin und Absol­ven­tin des Mas­ter­stu­di­ums „Ethi­sches Manage­ment“ setzt ihren Fokus auf Com­pli­ance-The­men. Sie ist ehe­ma­li­ges Vor­stands­mit­glied der Öster­rei­chi­schen Public Affairs-Ver­ei­ni­gung (ÖPAV) und Co-Autorin des Fach­buchs „Com­pli­ance in Public Affairs“. Heu­te arbei­tet sie als Head of Legal and Public Affairs bei Deep Natu­re Project. 

Feri Thier­ry hat über 30 Jah­re Erfah­rung mit poli­ti­schen Pro­zes­sen und ist Spe­zia­list für Public Affairs und Poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on. Er ist Co-Autor des Fach­buchs „Com­pli­ance in Public Affairs“, Her­aus­ge­ber des Sam­mel­bands „Poli­tik­be­ra­tung in Öster­reich“ und war Grün­dungs­prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Public Affairs-Ver­ei­ni­gung (ÖPAV). Er ist heu­te als Mana­ging Part­ner von 365 Sher­pas Con­sul­ting tätig.