Wir laden Sie herzlich ein, beim 5. Public Affairs Kongress mit hochkarätigen Gästen folgende Themen zu diskutieren:
Nachhaltigkeitsreporting
Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Public Affairs
die Nationalratswahl sowie die Herausforderungen der nächsten Legislaturperiode
Speaker
Peter Tulkens, Public-Affairs-Experte sowie Partner & Head of Green Transition, FIPRA International (Brüssel): „On the road towards ESG compliance: what role to play for government affairs?”
Julian Lambertin, Datenwissenschaftler und Persuasionspsychologe sowie Leiter Bereich Datenanalyse für strategische Kommunikation, FTI Consulting in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (München): „AI in Public Affairs: tools, strategies, and implications”
Christina Helf, Strategische Kommunikations- und Polit-Expertin sowie Initiatorin der KI-Plattform parlament.fyi: „Mit KI durch den politischen Dschungel: parlament.fyi als Co-Pilot für Public Affairs Profis“
Podiumsdiskussion
Anschließend an die Vorträge diskutieren Expert:innen über „Game of Votes: Ein Blick auf das Wahlresultat 2024“:
Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle, Politik- und Rechtswissenschaftlerin sowie Professorin für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Kärnten
Sara Grasel, Chefredakteurin und langjährige Wirtschaftsjournalistin, Selektiv – Das neue Medium für Wirtschaft in Österreich
Dr. Petra Bernhardt, Politikwissenschaftlerin sowie Hochschullehrgangsleiterin an der FH Campus Wien
anschließend Netzwerken & Flying Lunch
Anmeldung
Die Kongressteilnahme ist kostenlos. Personen, die trotz Anmeldung nicht zur Veranstaltung erscheinen, erhöhen die Kosten für die ÖPAV. Wir ersuchen Sie daher um Ihre verbindliche Anmeldung bis zum 4. Oktober 2024 an office@oepav.at.
Wir freuen uns auf einen inspirierenden Austausch, Ihr ÖPAV-Vorstand
https://oepav.at/wp-content/uploads/2023/08/210629_Labstelle_Web_SAAL_Version1-9-e1627307190660.jpg10451498OePAVhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngOePAV2024-07-23 18:24:542024-10-01 10:53:395. Public Affairs Kongress
https://oepav.at/wp-content/uploads/2023/10/PA-Kongress2023-012-9623.jpg19201281OPAVhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngOPAV2023-10-10 09:37:412023-10-10 09:59:32Fotos vom 4. Public Affairs Kongress
https://oepav.at/wp-content/uploads/2022/11/oepav-kongress-00011.jpg12781920OPAVhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngOPAV2022-11-11 14:10:112023-10-10 09:57:35Fotos vom 3. Public Affairs Kongress
Edward Strasser ist Gründer und CEO einer Organisation, deren Name zunächst wie ein Widerspruch in sich klingt: Innovation in Politics Institute. Die Mitarbeiter:innen dieses Instituts suchen europaweit Menschen mit neuen Ideen zur Belebung der Demokratie. Sie vernetzen und dokumentieren solche Innovationen. Einmal im Jahr lässt das Institut interessante Initiativen durch eine Fachjury sowie durch Bürger:innen bewerten. Die besten Ideen erhalten dann einen der Innovation in Politics Awards. Beim Treffen mit dem Arbeitskreis Digital Public Affairs beschrieb Strasser, wie digitale Instrumente mehr Partizipation und Bürgernähe schaffen können – und dazu zwingen, politische Prozesse neu zu denken.
Abseits der eingesessenen Institutionen ist das Feld der Politik wesentlich innovativer, als die meisten annehmen würden. Diese Erfahrung hat Edward Strasser selbst überrascht, wie er sagt:
„Der Druck zur Veränderung ist enorm hoch. In allen europäischen Demokratien sinkt das Vertrauen in die gewählten politischen Vertreter. Quer durch alle Schichten und Berufsgruppen erleben wir eine massive Erosion des Vertrauens in Politik.“
Technologie für mehr Demokratie
Dieser Wandel ist natürlich auch den politischen Akteuren nicht entgangen. In allen Parteien und Institutionen wird darüber nachgedacht, so Strasser, „wie Politik heute sein muss, damit sie wieder bei den Bürger:innen ankommt.“ Eine Antwort lautet: Sie muss näher an die Bürger:innen rücken, muss Zivilgesellschaft und Einzelpersonen stärker in politische Entscheidungen involvieren. Die fortschreitende Digitalisierung liefert dazu völlig neue Möglichkeiten, sagt Strasser, das zeige sich auch in den Projekten, die für den Innovation in Politics Award nominiert werden:
„Im Bereich der digitalen Partizipation bewegt sich derzeit sehr viel.“
In Europa entsteht gerade ein echter Markt für jene Dienstleistungen, für die sich wohl der Begriff „Democracy Technology“ einbürgern wird. Starke Zuwächse lassen sich sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Nachfragerseite beobachten. Anbieter sind vor allem Software-Entwickler und Online-Service-Provider, die Programme für öffentliche Konsultationen ebenso anbieten wie für Abstimmungen oder für organisierte Debatten über aktuelle Fragen. Nachgefragt werden solche Technologien von NGOs, von Verbänden und großen Interessensorganisationen, aber auch in hohem Maße von Städten und Gemeinden, denn auf kommunaler Ebene ist die digitale Mitbestimmung bereits am weitesten fortgeschritten. Zumindest im Rest von Europa, denn „Österreich ist in diesem Punkt leider Entwicklungsland.“
Formen der digitalen Mitbestimmung
Für die Partizipation über das Internet gibt es eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten. Strasser beobachtet, dass sich derzeit fünf Felder am stärksten entwickeln:
1. Partizipative Budgets
Große Städte wie Paris oder Barcelona haben es vorgemacht, viele andere sind gefolgt und haben daraus einen der erfolgreichsten Trends in der Bürger:innenbeteiligung gemacht: Wähler:innen können auf Online-Plattformen Vorschläge machen, wofür das Stadbudget (jedenfalls ein Teil davon) verwendet werden soll. Über die Vorschläge wird ebenfalls online abgestimmt. Projekte, die auf diese Weise eine Mehrheit erhalten, sind dann für die Stadtregierung bindend, es handelt sich also nicht einfach um Befragungen und Meinungsaustausch. Diese Verbindlichkeit ist wichtig, betont Strasser:
„Zum einen erhält die Mitarbeit der Bürger:innen nur so ihren Sinn, denn sie wissen, dass sie nicht nur Feigenblatt spielen, sondern wirklich entscheiden können. Zum anderen gehen alle Beteiligten wesentlich verantwortungsvoller vor, wenn klar ist, dass hier wirklich Steuergeld kanalisiert wird.“
Gelungene Beispiele für Projekte dieser Art liefern neben Paris auch Barcelona und Reykjavik.
2. Partizipative Gesetzesarbeit
Die aktive Mitwirkung an der Ausarbeitung von Gesetzen ist sehr anspruchsvoll, sie verlangt auch den teilnehmenden Bürgerinnen viel Wissen ab, sowohl inhaltlich als auch prozessual. Das soll aber nicht davon abhalten, wenigstens einfache Stellungnahmen über Online-Tools möglich zu machen. Dafür muss aber wieder die Software einiges draufhaben, erläutert Strasser:
„Wenn das nicht in Pseudo-Mitwirkung für den Papierkorb abgleiten soll, braucht es Programme der Künstlichen Intelligenz (KI), um viele tausend Vorschläge und Anmerkungen auswerten zu können.“
3. Online Voting
Wenn Abstimmungsprozesse online funktionieren sollen, müssen die Systeme hohe Sicherheitsstandards erfüllen, sowohl was die zweifelsfreie Identifikation der Wähler:innen betrifft, als auch die Fälschungs- und Abhörsicherheit. Die EU hat inzwischen Empfehlungen für Sicherheitsvorschriften ausgearbeitet, die von den Anbietern der e‑Voting-Systeme eingefordert werden sollten. Wenn die Sicherheit gewährleistet ist, kann e‑Voting die Teilnahme an Wahlen deutlich verbessern und in vielen Ländern den Zugang von sonst marginalisierten Gruppen erleichtern.
4. „Fix my street“-Plattformen
Wenn der Kanaldeckel an der Ecke klappert, die Straßenlaterne ausgefallen ist oder der Wind die Glasscheibe des Tramway-Wartehäuschens eingeschlagen hat – wohin soll man sich dann als Anrainer wenden? Online-Adressen, wo man solche Beobachtungen simpel und formlos melden kann, stellen keine große Innovation dar, sie verbessern aber den Dialog zwischen Verwaltung und Bürger:innen und erhöhen die Achtsamkeit gegenüber dem öffentlichen Raum.
5. Transparenz, Information, Meinungsbildung und Diskussion
Der Diskutier-Stammtisch, die Nachbarschaftsversammlung, die Grätzelrunde – sie alle können sich künftig auch in Online-Gruppen organisieren. Online-Tools können eingesetzt werden, um die Prozesse der Politik und der Verwaltung transparenter zu machen, um gezielt über Projekte zu informieren und um Diskussionen bei den Betroffenen anzustoßen.
Eine Frage des Bewusstseins
Warum handelt es sich bei diesen Formen der digitalen Mitwirkung trotz aller Erfolge immer noch um Innovationen, die erst so richtig Fuß fassen müssen? Edward Strasser ortet hier ein mangelndes Verständnis auf Seiten der Politik:
„Viele haben die Idee noch überhaupt nicht verstanden. Gerade politische Parteien stehen einer echten Mitsprache der Bürger:innen skeptisch gegenüber. Dort herrscht die Überzeugung: ‚Wir wissen besser, was die Menschen brauchen, als sie selber.‘ Da fehlt die Offenheit.“
Erfolgreiche Partizipation – ob online oder im direkten Kontakt – erfordert eine Kultur des Vertrauens, so Strasser. Die Teilnehmenden müssen vertrauen, dass die Prozesse ordentlich gemanagt werden, dass ihre Arbeit ernst genommen wird und dass das, was sie tun, irgendeine Wirkung haben wird. Sie müssen bereit sein, das Risiko der Ergebnisoffenheit einzugehen. Und sie müssen vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben, „die Überzeugung, dass etwas Gescheites herauskommen kann.“
Großes Augenmerk muss auf Inklusion und Repräsentativität gelegt werden. Online-Prozesse ermöglichen leichte und niedrigschwellige Zugänge – aber nur für Menschen, die mit Computern umgehen können und selber einen Laptop besitzen. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass die weniger IT-affinen Bevölkerungsgruppen nicht ausgegrenzt werden.
Missbrauch verhindern
Schließlich spielt auch die Auswahl der richtigen Technologie eine Rolle:
„Hier klärt sich gerade der Markt. Es sind sehr viele Anbieter unterwegs, daher gibt es auch jede Menge Scharlatane oder auch Systeme, die im Ernstfall mit sehr großen Datenmengen nicht zurechtkommen.“
Unzureichende Technik kann oft die Ursache gewesen sein, warum jemand vermeintlich schlechte Erfahrungen mit digitaler Partizipation gemacht hat. Wie anfällig sind die Demokratie-Algorithmen gegenüber Missbrauch, sei es durch Schlamperei oder durch gezielte Hackerangriffe? „Diese Sorge muss man ernst nehmen“, sagt Strasser:
„Die Sicherheit braucht sicher größtes Augenmerk, die Angst vor Missbrauch darf aber nicht zum Vorwand werden, um die Digitalisierung der Demokratie zu verzögern. Die weitaus größte Zahl der bereits existierenden Projekte ist in dieser Hinsicht völlig unproblematisch.“
In den nächsten Jahren erwartet Edward Strasser jedenfalls einen weiteren Schub in Richtung digitaler Partizipation:
„Dafür sorgt allein schon die Tatsache, dass die EU die Gelder im Rahmen ihres Green Deals an Partizipation gekoppelt hat. Klimaschutz-Initiativen sind nur förderungswürdig, wenn sie partizipative Elemente enthalten. Darüber hinaus sehen wir, dass der Wunsch der Bürger:innen nach Mitwirkung immer weiter steigt. Die Welle hat erst begonnen.“
https://oepav.at/wp-content/uploads/2022/05/Edward-Strasser-002.jpg12221449digitalcheckhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngdigitalcheck2022-05-10 13:39:292022-05-10 13:44:59Mitreden in der digitalen Agora
Echtzeit-Daten gelten als Gamechanger der Umfragewelt. Das Berliner Umfrageinstitut Civey macht sich mit einer neuartigen Erhebungsmethode den Trend zunutze.
Daten sind das neue Gold der Kommunikationswelt. Sie sind ein Schatz, den Organisationen besser vorgestern als heute erheben sollten. Denn was gestern vielleicht noch als “trendig” oder richtig galt, kann in wenigen Stunden schon “old news” sein. Konventionelle Umfragemethoden wie Tür zu Tür oder Telefon-Interviews, die oft lange dauern und teuer sind, stehen daher zunehmend auf dem Prüfstand. Die Krux liegt in der Schnelligkeit und Qualität der Datenerfassung. Das Berliner Unternehmen Civey mischt den Polit-Betrieb für Umfragen in Deutschland auf – mit einer neuen Herangehensweise. Was macht es anders? Der Arbeitskreis Digital Public Affairs hat recherchiert!
Umfragen sind in den letzten Jahren immer mehr unter Verruf geraten. Nicht nur, dass es immer schwieriger wird, die richtigen Menschen zur Teilnahme zu bewegen – auch der Zeitpunkt und die Art der Erhebungsmethoden werden vermehrt angezweifelt. Gerade vor Wahlen lagen Umfragen in der Vergangenheit daher manchmal komplett falsch. Zum Beispiel sagten fast alle Prognosen einen Sieg Hillary Clintons über Trump voraus – und lagen daneben. Fakt ist: Ob eine Datenerhebung seriös ist, hängt neben der Anzahl der befragten Personen von verschiedenen Faktoren ab. Wähler_innen werden zudem komplexer, ihre Meinungen ändern sich schneller und werden durch Krisen wie Pandemien und Kriege stark beeinflusst. Sollte auf Umfragen deshalb verzichtet werden? Oder sollten sich die Methoden für Umfragen einfach ändern? Das Unternehmen Civey hat sich zu Zweiterem entschieden.
Steffen Braun, VP Sales und Partner bei Civey. Civey ist eine Wortkreation und setzt sich aus „citizen und survey“ zusammen.
Steffen Braun ist Partner und VP Sales bei Civey, einem Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsforschung in Deutschland, das Daten fortlaufend online erhebt. Nach nur wenigen Jahren ist das Berliner Unternehmen im Big Game der Umfrageinstitute angekommen. Zu seinen Kunden zählen politische Entscheider_innen ebenso wie Parteien, Unternehmen oder Agenturen. Mit über 100 Mitarbeiter_innen lässt Civey sein Startup-Image zumindest am Papier hinter sich. Die disruptiven Ideen sind geblieben:
Ein breites Mediennetzwerk als Multiplikator
In der Online-Diskussionsrunde mit dem Arbeitskreis erklärt Steffen Braun, wie man bei Civey im Gegensatz zu herkömmlichen Instituten mit Umfragedaten arbeitet: Die Panelisten werden über Umfragen auf Medienplattformen rekrutiert. Ihre Antworten werden von Algorithmen repräsentativ umgerechnet und in Echtzeit an die User_innen ausgespielt. Dafür hat Civey ein großes Netzwerk von Medienpartnern zur Verfügung, über die es Umfragen veröffentlicht. Darunter fallen Plattformen wie der Spiegel, t‑online, das Handelsblatt, Focus online und Special Interest Medien. Der Vorteil: Civey platziert seine Fragen organisch an den Stellen, an denen sich Menschen mit ähnlichen Interessen tummeln.
Ein ausgeklügeltes Anreizsystem
Rund eine Million verifizierte Menschen zählen zum Panel von Civey, die monatlich zu den unterschiedlichsten Themen bei Civey abstimmen. Dass so viele Menschen mitmachen, liegt an seinem ausgeklügelten Anreizsystem. Denn für jede Beantwortung erhalten die Teilnehmer_innen eine unmittelbare Belohnung in Form eines repräsentativen Gesamtergebnisses. Damit schlägt Civey seine Konkurrenz nicht nur in Sachen Geschwindigkeit bei der Ausspielung der Daten, sondern v.a. bei der Reichweite. Denn das große Problem bei Umfragen liegt darin, dass Menschen oft schlichtweg die „Lust“ dazu fehlt, bei Umfragen mitzumachen – egal, ob per Telefon, auf der Straße oder online.
Die Belohnung sei von Anfang an eine zentrale Erfolgszutat des Projekts gewesen, erklärt Steffen Braun. Ob es funktionieren würde, war nicht gleich klar. Über die Jahre perfektionierte das Team bei Civey die Methodik: Wichtig sei, dass keine 25 Fragen zu einem Thema gestellt werden, sondern dass sich diese durchmischen, um das Interesse des Teilnehmenden nicht zu rasch zu verlieren und gleichzeitig auch statistisch notwendige Schritte zu gehen.
Grafik: Beispiel einer Civey-Umfrage zur Zufriedenheit der Deutschen mit dem Koalitionsvertrag der Ampelkoalition. Mehr dazu hier.
Transparenz schafft Vertrauen
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal von Civey liegt in der Transparenz. Jedes Ergebnis von Civey ist offen zugänglich. Besucher_innen der Medien-Webseiten bekommen im Anschluss das Ergebnis gleich angezeigt. Neben der eigentlichen Umfrage werden im ersten Schritt Zusatzdaten wie Alter, Geschlecht und Postleitzahl abgefragt. Außerdem werden mehrere Umfragen in Folge durchgeführt. Die Algorithmen verifizieren in einem längeren Prozess die Teilnehmenden. Nur deren Antworten fließen in die quotierten Stichproben ein, die im Anschluss noch nachgewichtet werden. Die Teilnehmer an den Umfragen sehen somit sofort das repräsentative Ergebnis. Damit trimmt sich das Unternehmen selbst von Beginn an hin, richtig zu liegen. „Transparenz ist uns wichtig für die Nutzer und zwingt uns auch, unsere Arbeit gut zu machen“, betont Steffen Braun. Den berühmten „Giftschrank“, wo jene Ergebnisse hineinwandern, die dem Kunden „nicht gefallen“, gibt es durch die Transparenz bei Civey nicht mehr. Damit will Civey auch seinen Beitrag leisten, den angeschlagenen Ruf von Umfragen zu rehabilitieren und Vertrauen zurückzugewinnen.
Frage der Repräsentativität
Besonders in den Anfangsjahren war Civey aber auch mit Kritik zur Repräsentativität seiner Ergebnisse konfrontiert. Steffen Braun erklärt:
„Jede Befragungsform erreicht manche Gruppen besser als andere. Wir bei Civey erreichen sicher nicht die Gesamtbevölkerung. Das ist mit Telefonumfragen oder Face to Face auch nicht möglich. Aber die Internetnutzung liegt in Deutschland bei über 95 Prozent. Wir wissen daher sehr gut, wen wir erreichen, wir kennen unsere Verzerrungen.“
In Zukunft möchte Civey seine neuartige Umfragemethode auch Kunden im Ausland zugänglich machen. Die Expansion in den EU-Big5 Raum oder den DACH-Raum sei in naher Zukunft geplant.
Wir sind freudig gespannt!
https://oepav.at/wp-content/uploads/2022/03/browser-ga31d6c182_1280.png9411280digitalcheckhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngdigitalcheck2022-03-30 17:37:152022-03-31 10:42:37Die Krux mit den Umfragedaten
Demokratische Mitwirkung erfordert Information. Diese Information ist eine Bringschuld der Politik und zugleich eine wichtige Voraussetzung, damit Partizipation, Interessenvertretung und schließlich Lobbying fair und transparent möglich werden. Digitale Tools können in diesem Feld eine wichtige Rolle spielen und auf vielfältige Weise dazu beitragen, dass ein informierter und zugleich breiter Diskurs um politische Fragen möglich ist.
Zu diesem Ergebnis kam eine Diskussionsrunde auf der Plattform Stakedate zum Thema „Information & Demokratie – die Chancen der Digitalisierung von Public Affairs“. Stakedate-Mitgründer Theo Koch diskutierte mit den Public-Affairs-Experten Andreas Kovar (Kovar & Partners) und Lisa Henhofer (Wien Energie) sowie mit der Nationalratsabgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne).
Showcase 1: Stakedate
Theo Koch hat gemeinsam mit Partnern die Plattform Stakedate unter anderem deshalb gegründet, weil sich während des ersten Corona-Lockdowns gezeigt hatte, dass in einer Zeit der weit fortgeschrittenen Digitalisierung ausgerechnet die Politik das Internet noch nicht wirklich als Ort des demokratischen Diskurses entdeckt hat.
„Wir sahen den Bedarf nach einer Plattform, auf der sich Stakeholder über ihre Anliegen, ihre Positionen und Forderungen zu anstehenden politischen Vorhaben austauschen können.“
Anfangs war Stakedate ein Videocall mit angeschlossenen Speed-Date-Network-Funktion. Es sollte ein Tool sein, wo im Lockdown trotz Kontaktverbots und Social Distancing die Public Affairs Arbeit in gewissem Ausmaß weitergeführt werden konnte.
„Es hat sich aber schnell gezeigt, dass online wesentlich mehr möglich ist, als nur eine Gesprächssituation virtuell abzubilden.“
Sehr schnell kamen Funktionen hinzu, mit denen Dokumente hochgeladen werden konnten, also auch nachhaltiger und vertiefter Diskurs über das eigentliche Gespräch hinaus organisiert werden konnte. In der nächsten Entwicklungsstufe wurde Stakedate zu einer Plattform, die nach politischen Themen organisiert ist. Welche Themen vertreten sind, hängt einerseits von den Mitgliedern der Plattform ab, die jederzeit einen Diskurs starten können, zum anderen greift das Stakedate-Team auch selbst aktuelle Themen auf und lädt dazu sein, sich zu ihnen zu äußern. Derzeit sind etwa Themen wie „Bodenversiegelung“, „Lebensmittelwerbung an Kinder“, „Gentechnisch veränderte Pflanzen“ oder „Lieferkettengesetz“ vertreten.
User können sich für beliebig viele Themen registrieren und werden dann über die weitere Entwicklung ihrer Themen auf Stakedate regelmäßig informiert. Und selbstverständlich können sie auch selbst Dokumente hochladen.
Das Internet führt zwangsläufig zu einem höheren Maß Transparenz, da alle Teilnehmer namentlich angemeldet sein müssen. Stakedate hat diese Transparenz zu einem Prinzip gemacht: Alle User, die sich für ein bestimmtes Thema registriert haben, werden für alle anderen offengelegt. Wer an einem Diskursprozess teilnimmt, weiß daher, wer noch aller aktiv oder passiv involviert ist.
Auf Stakedate kann der Dialog mit der Politik sehr früh einsetzen, also nicht erst, wenn ein Ministerialentwurf eines Gesetzes vorliegt. Über diesen Kanal können auch Gruppen, die nicht Teil des politischen Establishments sind, Agenda Setting betreiben und Themen originär in die politische Diskussion einbringen.
Anfangs, erzählte Koch, herrschte Skepsis bei den Stakeholdern, man war sich nicht sicher, ob Stakedate einer politischen Richtung zugeordnet werden kann. Erst als alle politischen Parteien auf der Plattform vertreten waren, war der Damm gebrochen. Und für die Zukunft hofft Koch:
„Demokratische Politik soll ein Wettbewerb der Ideen sein, aber für diesen Wettbewerb braucht es faire Ausgangsbedingungen, was den Kampf um die Aufmerksamkeit betrifft.“
Showcase 2: e‑Comitee
Andreas Kovar präsentierte ein völlig anders konzipiertes Online-Diskussions-Tool, nämlich e‑Comitee. Auf e‑Comitee können Texte hochgeladen und online diskutiert werden. Das kann in einer geschlossenen Gruppe von Eingeladenen geschehen, oder aber offen für jedermann und jedefrau. Dank einer Reihe von Features ist es sehr einfach möglich, Teile eines hochgeladenen Textes gezielt zu kommentieren oder zu ergänzen – die Kommentare stehen dann ihrerseits wieder allgemein zur Diskussion.
e‑Comitee erleichtert es vor allem auch, am Ende einer Diskussionsphase die Ergebnisse zusammenzufassen und auszuwerten und eignet sich daher sehr gut für deliberative Prozesse oder für Arbeitsgruppen und Ausschüsse, die am Ende einen Bericht über ihre Arbeit abliefern wollen.
Diese Form der E‑Partizipation hat eine Reihe von Vorteilen. So kann eine große Gruppe von Personen tatsächlich einbezogen werden, die Qualität der Beteiligung steigt. Online werden Raum und Zeit in mehrfacher Hinsicht aufgehoben. Man kann von überallher jederzeit Beiträge hochladen oder kommentieren. Man hat keine Zeitbeschränkung, wogegen in realen Diskussionen die Redezeit stets beschränkt ist, es kommen auch nicht immer alle zu Wort.
„Anders als in Live-Meetings kann ich meinen Beitrag in aller Ruhe erstellen, nachdenken, überarbeiten, redigieren. Ich lade ihn erst hoch, wenn ich sicher bin, dass ich meinen Input gut rübergebracht habe. Ich kann meinen Beitrag auch nachträglich ergänzen, wenn mir noch etwas einfällt, während bei Live-Meetings die Ideen, die mir beim Weggehen draußen im Stiegenhaus kommen, verloren sind.“
In der Praxis hat sich gezeigt, dass die größten Stärken von e‑Comitee in der ersten Phase und in der Schlussphase von längeren Online-Diskussionsprozessen liegen. Die Phase der ersten Ideenfindung verläuft wesentlich produktiver, als das in Meetings der Fall wäre, wenn über eine oder zwei Wochen hinweg Beiträge gesammelt werden, die von Anfang an für alle sichtbar sind und wo sich jeder inspirieren kann.
Am Ende wiederum, wenn es darum geht, die große Zahl an Beiträgen und Kommentaren auszuwerten, machen es die Tools von E‑Comitee ebenfalls deutlich leichter, Kategorien zu bilden und Themen zusammenzufassen.
„Dazwischen sind allerdings sehr wohl Real Live Meetings sinnvoll, denn der persönliche Austausch ist natürlich intensiver, wenn man sich trifft. Eine Kombination von Online- und Offline ist also die effektivste Form der Partizipation.“
Ähnlich wie Stakedate entstand auch e‑Comitee einerseits aus den Anforderungen der praktischen PA-Arbeit, andererseits aber aus dem Wunsch, digitale Instrumente zur Verbesserung der demokratischen Möglichkeiten zu nutzen. Vor allem bei der direkten Partizipation gibt es in Österreich starke Defizite, befand Kovar. Zudem haben die Entwicklungen der letzten Jahre – Stichworte Rechtspopulismus, Fake News, Spaltung der Gesellschaft – gezeigt, dass am Erhalt der demokratischen Kultur aktiv gearbeitet werden muss:
„Jahrelang haben wir diskutiert, wie wir die Demokratie weiterentwickeln können. Heute reden wir stattdessen über die Verteidigung der Demokratie.“
Showcase 3: Digital Public Affairs Wien Energie
Für Lisa Henhofer ist Transparenz eines der Schlüsselkriterien für einen gelingenden demokratischen Diskurs. Henhofer betreut unter anderem jene Website von Wien Energie, wo das Unternehmen über seine politischen Anliegen spricht und auch den Dialog mit den Stakeholdern sucht.
„Wir haben 2019 die erste digitale Public Affairs Plattform in Österreich gestartet und sie seither sehr dynamisch weiterentwickelt.“
Warum das Unternehmen den Schritt wagte, offen im Internet über seine politischen Positionen und die von ihm verfolgten Interessen zu kommunizieren, begründet Henhofer mit drei Motiven:
Die Digitalisierung verändert die Form der politischen Kommunikation.
Es gibt ein steigendes Informationsbedürfnis in der Bevölkerung, was die Interessenpolitik und die politischen Positionen von Unternehmen betrifft.
Die Klimadebatte ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Energieunternehmen sind hier besonders gefordert und müssen zu Fragen der Klimapolitik Stellung nehmen.
Inzwischen enthält die Public Affairs Webseite von Wien Energie eine Fülle von Papieren zu den großen Veränderungen in den Bereichen Wärme, Strom oder EU-Klimapolitik. Alle Themen sind mit Personen verbunden, die auch als Ansprechpersonen fungieren und ihre Kontaktdaten auf der Webseite bekanntgeben.
„Wir nutzen die Plattform, um zu zeigen, wo wir stehen und welche politischen Rahmenbedingungen wir einfordern, damit wir diese Ziele erreichen können. Es geht uns darüber hinaus aber auch darum, ein neues Image für Interessenvertretung aufzubauen. Lobbying hat keinen guten Ruf, aber wie wir zeigen, kann Lobbying auch offen, transparent, für alle sichtbar im Internet stattfinden. Lobbying kann dialogorientiert und sachlich sein.“
Die Sicht der Politik
Ewa Ernst-Dziedzic hat vor einigen Jahren den Wiener Streitclub gegründet, weil ihr Debattenkultur generell ein Anliegen ist und sie eine offene Diskussionskultur in Österreich vermisst. Als Abgeordnete der Grünen im Parlament ist sie politische Insiderin, steht also auf Seiten derer, die politische Beschlüsse fassen oder mitentscheiden. Sie ist daher überzeugt:
„Wir müssen sowohl die formalen Möglichkeiten der Partizipation als auch die tatsächlich gelebte Praxis weiterentwickeln.“
Denn der Anspruch der Bevölkerung wächst, zu wissen, warum die gewählten Vertreter bestimmte Entscheidungen treffen:
„Wir Mandatare und Mandatarinnen sind stärker gefordert, zu erklären, was wir eigentlich tun und wofür wir uns tatsächlich einsetzen, nicht nur in Wahlreden. Partizipation kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Bürger:innen erleben, dass ihre Ideen und ihr Einsatz auch ernstgenommen werden.“
Aus der Sicht der Politik sind Formate wie Stakedate und e‑Comitee deshalb zu begrüßen, weil es ihnen gelingt, „den Ton und die Sachlichkeit von Debatten richtig zu treffen, was ja die Social Media nicht schaffen“. Es muss ein Anliegen der Politik sein, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, um möglichst viele Menschen zu erreichen, meinte Ewa Ernst-Dziedzic:
„Politik darf nicht etwas sein, was im Hohen Haus hinter staubigen Wänden stattfindet, aber nichts mehr mit der digitalen Lebensrealität der Menschen zu tun hat.“
https://oepav.at/wp-content/uploads/2021/12/Information-und-Demokratie_2-e1639125544981.jpg544889digitalcheckhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngdigitalcheck2021-12-10 09:45:372021-12-10 13:20:11Informiert sein, Mitreden, Interessen geltend machen – aber alles digital
Was das Informationsfreiheitsgesetz demokratiepolitisch und für Public Affairs Management bedeutet und warum die Umsetzung digitaltauglich sein muss.
Anfang des Monats wurde im Verfassungsausschuss über die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Verankerung einer Informationspflicht diskutiert. Den beiden diesbezüglichen Anträgen der Sozialdemokraten wurde eine seltene Ehre zuteil: eine ‚durchaus wertschätzende Vertagung‘ (sic: Abg. Christian Stocker) durch die Regierungsparteien. Die zuständige Verfassungsministerin betone zwar das Commitment der Regierung für die Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes und verwies auf den Ministerialentwurf des Frühjahrs, lies sich aber nicht zur Nennung eines Termins für eine Regierungsvorlage hinreißen.
Nun erhielt der im Februar von den Koalitionspartnern als solider Kompromiss gefeierte Entwurf in der Begutachtungsphase der Begutachtungsphase stattliche 189 Stellungnahmen, die es zu beachten gilt. Die überlange Verzögerung lässt sich vor allem vor einem Umstand leicht erklären – den starken Bedenken der Bundesländer und Gemeinden. Offiziell geht es dabei um Sorgen vor dem erwartbar größeren Aufwand für die Behörden. Die Vermutung liegt nahe, dass in Wirklichkeit jedoch der steigende Rechtfertigungsdruck der Behörden gegenüber dem Souverän mit ausschlaggebend war. Gerade diesem Souverän – den Bürger*innen – soll dieses Gesetz überhaupt zugutekommen. Konkret ist ein Hauptgesichtspunkt des Entwurfs: ‚Staatliches Handeln soll für jedermann weitestgehend transparent gemacht (werden)‘, indem ‚staatliche Transparenz zur Regel und Geheimhaltung zur Ausnahme gemacht (wird)‘.
Digital = unbürokratisch?!
Das Transparenzverlangen der Bürger*innen scheint sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt zu haben, nicht zuletzt, weil durch die Digitalisierung niederschwellige Zugänge zu Informationen zum Standard geworden sind. Außerdem ist sicherlich auch das Bewusstsein für Rechte im digitalen Raum (Stichworte: Urheberrecht & DSGVO) gestiegen. Transparenzanforderungen sind für Unternehmen und teilweise auch für Bürger*innen gestiegen, in anderen Ländern wird deutlich offener mit Informationen umgegangen – nicht verwunderlich, dass auch die Österreicher*innen Verbesserungen einfordern. Und nicht zuletzt ist auch allen klar, dass vorhandene Informationen auch unbürokratisch und für die Behörde fast ohne Kosten und Aufwand digital bereitgestellt werden können. Die Argumente für die Zurückhaltung von Informationen und für die Geheimhaltung werden immer dünner.
Langer Weg der Informationsfreiheit
Diese politische Forderung ist 2011 durch das Forum Informationsfreiheit verstärkt in die politische Debatte gekommen. Wirklich heiß diskutiert wird die Initiative seit 2013. In den Jahren darauf kam es aufgrund der langsam mahlenden Mühlen der Innenpolitik jedoch immer wieder zu Verzögerungen und Rückschritten. Erst bei den Koalitionsverhandlungen der ÖVP mit den Grünen im Jahr 2019 ist das Thema erneut ganz oben auf die politische Agenda gerückt: im Regierungsprogramm. Das ist vor allem den Grünen zuzurechnen, die neben Umwelt- und Klimaschutz auch Transparenz und Korruptionsbekämpfung als zentrale Anliegen vertreten haben.
Wozu braucht es in Österreich überhaupt ein Gesetz, dass mehr Politik- und Verwaltungstransparenz bringt? Das Recht auf umfassende Informationsfreiheit gegenüber dem Staat ist ein Menschenrecht, bestätigte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2013. Während bei den meisten anderen EU-Partnern das Grundrecht auf Information in den jeweiligen Verfassungen verankert ist, hat Österreich jedoch das Amtsgeheimnis im Verfassungsrang. Somit sind ein Gutteil der Handlungen der Verwaltung für die Bürger*innen intransparent und der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen. Im jährlichen “Right To Information”-Rating der NGOs Access Info Europe (AIE) und Centre for Law and Democracy (CLD) belegt Österreich – gemeinsam mit dem Inselstaat Palau – den unrühmlichen letzten Rang (von inzwischen 128 Staaten). Demokratiepolitisch besteht also Handlungsbedarf – auch um das Menschenrecht der Informationsfreiheit zu verankern.
Weniger Blackboxen – gut für Public Affairs-Profis
Auch wenn das natürlich kein dezidiertes Ziel des Informationsfreiheitsgesetzes ist, die Public Affairs Branche wird von größerer Informationsfreiheit profitieren. Je offener und transparenter Politik und Verwaltung ihre Entscheidungen treffen, desto besser lassen sich die dahinter liegenden Entscheidungsprozesse analysieren und auswerten. Gerade wenn Informationen digital bereitgestellt werden, wird die Arbeitsgrundlage im Public Affairs Management noch breiter.
Public Affairs Manager*innen als professionelle Interessensvertreter*innen sind es gewohnt, Informationen aus dem politischen Umfeld zu strukturieren und zu bewerten. Ein mehr an Information, ein niederschwelliger digitaler Zugang dazu und genauere Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen werden daher zu einer weiteren Professionalisierung der Branche führen. Die Argumente hinter Entscheidungen sind für Public Affairs Manager*innen ebenso interessant wie die beauftragten Experten*innen und Gutachter*innen. Das Amtsgeheimnis hat Blackboxen geschaffen, die durch die geplante Novelle aufgebrochen werden könnten.
Was nun zu erwarten ist
In einem föderalistischen Staat wie Österreich macht das aber nur Sinn, wenn nicht nur die Bundesverwaltung erfasst ist, sondern auch die weiteren Gebietskörperschaften. Mit den nun angesetzten weiteren Verhandlungen/Gesprächen zum Begutachtungsentwurf mit den Bundesländern und Gemeinden steht die Bundesregierung jedenfalls vor einer Sisyphusarbeit. Die Vielzahl an Bedenken und Partikular-Widerständen dort machen einen großen Wurf unwahrscheinlich. Auf die politische Lage – geprägt von Instabilität, Korruptionsskandalen und Vertrauensverlust – blickend hat der Österreich Transparenz und Offenheit so dringend nötig wie noch nie.
https://oepav.at/wp-content/uploads/2021/11/Amtsverschwiegenheit_RIS.png1621443digitalcheckhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngdigitalcheck2021-11-30 11:16:252021-11-30 11:16:27Amtsgeheimnis oder Informationsfreiheit?
In den letzten Wochen hörte man wieder einmal etwas von Clubhouse. Clubhouse? Ja genau. Die Social Audio-App, die im Jänner 2021 einen kleinen Hype in der polit-medialen Bubble auslöste, nur um wenige Wochen später schon wieder totgesagt zu werden.
Zum einen sorgten die Meldungen über ein mögliches Datenleck für Aufsehen. Zum anderen verkündete Clubhouse einige technische Neuerungen. Die App ist nun endlich auch für Android-Geräte verfügbar und Invites nicht mehr nötig. Diese anfänglich verknappende Exklusivität ist also vorbei. Zudem sind nun Direktnachrichten möglich und an einer Payment-Funktion wird gearbeitet. Und auch Twitter (Spaces), Facebook (Live Audio Rooms) und Spotify (Greenroom) brachten zuletzt ihre eigenen Social Audio-Angebote an den Start.
Aber abseits davon stellt sich die Frage: Interessieren Social Audio-Apps überhaupt noch irgendjemanden? Und war der Hype nur ein eigenartiges Zusammenwirken von Lockdown-Madness, blindem Technologie-Wahn und einer Polit-Bubble auf der Suche nach Orientierung im Umgang mit neuen Tools?
Wunderwaffe Clubhouse? Eine Bubble und ihr Hype.
Im schier endlosen Lockdown-Winter waren persönliche Aufeinandertreffen schon seit Monaten nur mehr eingeschränkt und seit Wochen gar nicht mehr möglich. Der politische Betrieb fand nur noch digital statt. Die Substitution durch soziale Medien wie Twitter oder Facebook war und ist für die meisten unbefriedigend und machte die Sehnsucht nach etwas Echtem, Bedeutungsvollen und Realen nur größer – auch durch die immer giftigere Stimmung rund um COVID-Themen auf diesen Netzwerken.
Neben dieser Art Lockdown-Müdigkeit brachten insbesondere zwei Faktoren geraden den polit-medialen Seismografen zum Ausschlagen. Zum einen waren es schlicht die hochkarätigen und ungezwungenen Gesprächsrunden zu Beginn. Christian Linder war einer der ersten bekannten Politiker auf Clubhouse. Und der „Candy-Crush-Skandal“ durch Bodo Ramelow weckte verborgene Sehnsüchte bei Journalist:innen und Berater:innen: nah dran zu sein und ungefiltert Informationen zu bekommen. Warum sollte das nicht auch in die österreichische Polit-Szene überschwappen? Clubhouse könnte der Innovationssprung sein, den viele seit der Einführung des Pressefoyers durch Bundeskanzler Bruno Kreisky ersehnen.
Zum anderen stürzte sich der polit-mediale Betrieb deshalb so sehr auf Clubhouse, weil niemand die Gelegenheit – oder zumindest die Chance einer Möglichkeit – verpassen wollte, früh bei einem womöglich prägenden sozialen Medium dabei zu sein. Das Beispiel von Armin Wolf auf Twitter zeigt, welche Möglichkeiten im frühen Erkennen und Besetzen solcher Tools liegen.1
Kurzum: Der Fantasie der Bubble war eigentlich keine Grenze gesetzt. Der Hype war losgetreten.
Clubhouse ist tot. Aber Social Audio-Streaming ist einen Blick wert
Nutzungszahlen sind für einzelne Länder nicht bekannt. Clubhouse selbst spricht von zehn Millionen User:innen bzw. einer halben Million „Räumen“ pro Tag (weltweit) und einer Unternehmensbewertung von 4 Milliarden Dollar. So oder so – medial ist es in Österreich still geworden um die Social Audio-App. Und auch in persönlichen Gesprächen ist Clubhouse kein Thema mehr. Clubhouse, da war doch was?
Wenn man sich aber vom Namen Clubhouse etwas löst, erkennt man durchaus Potenzial von Social Audio-Streaming für Public Affairs (und die politische Kommunikation).
Zum einen erweitert allein schon die technisch niederschwellige Möglichkeit des Live Audio-Streamings den Instrumentenkasten. Die klassische Phone-In-Sendung im Radio funktioniert noch immer. Warum sollte das auf einer Handy-App nicht funktionieren – mit einer anderen Zielgruppe, auf mobilen Endgeräten und weniger Barrieren? Google Hangouts oder Facebook-Live-Events waren schon in vergangenen Wahlkampagnen im Einsatz. So wäre es doch auch lohnenswert, statt dem 20. Bierzeltbesuch oder der gefühlt 500. TV-Debatte im Studio einmal eine Hör-Diskussion direkt mit den eigenen Wahlkämpfer:innen oder Wähler:innen zu führen? Eine Audio-Diskussion nach einer Begutachtungsphase eines Gesetzesvorschlag würde die Schwelle für den/die Otto-Normalbürger:innen senken, sich mit der Fülle an Vorschlägen auseinanderzusetzen. Die Debatten-Kultur würde belebt werden.
Andererseits eröffnet es neue Möglichkeiten im Community-Building. Erfolgreiche Podcasts (oder andere reine Sendungs-Formate) haben die Notwendigkeit erkannt, ihre Hörer:innen einzubeziehen. Meist passiert das durch begleitende Social Media-Interaktion, die aber zusätzlich betrieben werden muss. Durch die Audio-Angebote auf großen Social Media Plattformen kann man sogar eine bestehende Community einbinden. Im Consumer-Marketing werden Gewinnspiele, Foto-Challenges oder Produktfragen eingesetzt, um Kund:innenbindung zu erzeugen. In der politischen Arbeit (in allen seinen Dimensionen) geht es um noch mehr. Es geht um Vertrauen. Dieses wird noch immer am besten durch den persönlichen Austausch aufgebaut. Sich stimmlich zu hören, schafft Nähe und Verbindlichkeit.
Nicht das Tool, sondern der strategische Einsatz
Sind also Social Audio-Apps ein absolutes Muss für Public Affairs und Politik? Nein, natürlich nicht. Wie jedes andere digitale Tool sind sie kein Wunderwerkzeug für alles. Viele Fragen sind noch ungeklärt (z.B. welcher Grad an Moderation ist notwendig und sinnvoll?) und die nützlichen Einsatzweisen müssen sich erst etablieren. Aber eine gute Public Affairs-Strategie hat Social Audio-Streaming ab sofort im Instrumentenkasten und kann es einsetzen. Genau das ist das Wesen von Digital Public Affairs: digitale Tools sind kein Selbstzweck, sondern erweitern den strategischen Handlungsspielraum.
Social Audio-Streaming hat also Potenzial, auch wenn es nicht der Name Clubhouse sein sollte.
1Der ORF-Anchorman war früh auf dieser neuen Plattform und trat aktiv in den Dialog mit einer damals noch sehr überschaubaren, aber meinungsbildenden Community. Seit Jahren ist er mit 492.000 Follower der österreichische “Influencer” auf Twitter (siehe OTS Twitterlist).
https://oepav.at/wp-content/uploads/2021/08/Flickr-Clubhouse-drop-in-audio-chat-application-view-on-the-smartphone-c-Marco-Verch_CC-Lizenz.jpg12811920digitalcheckhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngdigitalcheck2021-08-06 09:36:092021-08-06 11:55:12Clubhouse ist tot, aber Social Audio-Streaming lebt.
Essenseinladungen, Druckkostenbeiträge und Geschenke waren Fragen, mit denen wir uns früher rechtlich auseinandersetzen mussten. Heute ist die Public Affairs-Arbeit erfreulicherweise auch in der Breite der Branche professioneller geworden. Ethikstandards und rechtliche Bestimmungen haben für mehr Klarheit und Qualität gesorgt. Compliance, also das „Verhalten in Übereinstimmung mit und das Einhalten von rechtlichen sowie regulativen Vorgaben“, ist heute etablierter Standard in den meisten Organisationen und insbesondere in der Interessenvertretung von Unternehmen, Verbänden und NGOs. Und das hilft, Rechtssicherheit zu schaffen, verantwortungsvoll zu agieren und mögliche Risiken zu minimieren.
In den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat der Online-Bereich: Zum einen wurden spätestens mit der Corona-Pandemie Videocalls zu einem selbstverständlichen Teil des Dialogs mit politischen Stakeholdern, zum anderen spielen Soziale Medien eine prominentere Rolle in der Kommunikation von Positionen und Anliegen. Fragen der Vertraulichkeit, des Datenschutzes, der Transparenz haben dadurch an Bedeutung gewonnen. Gleichermaßen wie in der realen Welt gilt auch hier, gesetzliche Vorgaben und ethische Standards einzuhalten. Die wichtigsten Anwendungsbereiche wollen wir hier skizzieren:
Datenschutz
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist insbesondere für den Einsatz von E‑Mail-Newslettern zu beachten. Denken Sie daran, beim Versand von Mails an mehrere Personen gleichzeitig, die Mail-Adressen in das Feld für Blindkopie (bcc) zu setzen, um die Kontaktdaten der Empfänger:innen nicht öffentlich zu machen. Der Unterschied, ob die Nachrichten per E‑Mail oder als Newsletter über einen Drittanbieter versendet werden, liegt u.a. darin, dass man mit dem Drittanbieter einen Auftragsverarbeitervertrag abschließen muss, und die Einhaltung der DSGVO durch den Dritten sichergestellt werden muss. Die Zusendung von Werbemails oder ‑inhalten wird auch weiterhin in § 107 Telekommunikationsgesetz (TKG) geregelt.
Digitale Partizipation
Digitale Anwendungen eröffnen neue Chancen, Positionen und Anliegen in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen. Begutachtungsverfahren von Gesetzesentwürfen werden auf der Website des Parlaments abgebildet und bieten die Möglichkeit, schriftliche Stellungnahmen abzugeben. Den Link zum dafür vorgesehenen Formular finden Sie am Ende des jeweiligen Begutachtungstextes. Damit bietet der Gesetzgeber einen niederschwellige Zugang zum demokratischen Prozess und erleichtert die Arbeit von Interessenvertreter:innen.
Virtuelle Stakeholdergespräche
Videokonferenz-Tools haben sich zu einem Standard für Stakeholdergespräche entwickelt und werden es neben dem persönlichen Gespräch auch bleiben. Bei der Auswahl des Tools sind Datenschutzregeln besonders relevant. Beachten Sie, dass keine sensiblen oder personenbezogene Daten über ein Videokonferenz-Tool ausgetauscht werden. Eine Aufzeichnung der Gespräche (und auch die Widergabe in sozialen Medien) darf nur mit vorheriger Einwilligung aller Beteiligten erfolgen. Schützen Sie Ihre Video-Konferenzen mit Passwörtern oder sonstigen Zugangsbeschränkungen, die nur Ihren Gesprächspartnern bekannt gegeben werden.
Sichere Online-Events
Besonders sensibel sind Online-Events, die häufig sehr offen gehalten und somit einer größeren Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Tatsache, dass ich mein Publikum nicht real sehe, kann zur Situation verleiten, „frei sprechen“ zu können. Dabei sind Online-Events leichter mitzuschneiden und damit jede Aussage auch einfacher zu dokumentieren. Es sollte auch hier – wie bei jedem Gespräch mit politischen Entscheidungsträger:innen – der Grundsatz gelten: Sagen Sie nur das, was Sie auch am nächsten Tag in der Zeitung (oder in veröffentlichten Handy-Chat-Protokollen) lesen wollen würden.
Eine Besonderheit der Onlinewelt ist, dass die Urheberschaft von Content oder Initiativen teilweise schwerer nachzuvollziehen ist. Das zeigen Social Media-Accounts oder ‑Kampagnen, deren Hintergründe nicht immer erkennbar sind. Technisch ist die Urheberschaft dafür leichter nachvollziehbar, weil IP-Adressen rückverfolgbar sind. Und das neue Kommunikationsplattformengesetz widmet sich auch diesem Thema.
Responsible Lobbying
Darüber hinaus sollten Sie immer bedenken: Es ist nicht immer legitim, was gesetzlich erlaubt ist. Hier beginnt „Responsible Lobbying“. Kodices wie jener der Österreichischen Public Affairs-Vereinigung (ÖPAV) oder der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (degepol) geben Richtlinien vor, die über das gesetzlich Vorgeschriebene hinausgehen. Verantwortung bedeutet, diese Richtlinien zu leben. Denn mehr Integrität in politischen Entscheidungsprozessen stärkt das Vertrauen in die Politik – und das ist wiederum die Basis für eine stabile und wehrhafte Demokratie.
Mag. Martina Friedl ist seit Schülervertreter:innen-Tagen im politischen Soziotop aktiv. Die Juristin und Absolventin des Masterstudiums „Ethisches Management“ setzt ihren Fokus auf Compliance-Themen. Sie ist ehemaliges Vorstandsmitglied der Österreichischen Public Affairs-Vereinigung (ÖPAV) und Co-Autorin des Fachbuchs „Compliance in Public Affairs“. Heute arbeitet sie als Head of Legal and Public Affairs bei Deep Nature Project.
Feri Thierry hat über 30 Jahre Erfahrung mit politischen Prozessen und ist Spezialist für Public Affairs und Politische Kommunikation. Er ist Co-Autor des Fachbuchs „Compliance in Public Affairs“, Herausgeber des Sammelbands „Politikberatung in Österreich“ und war Gründungspräsident der Österreichischen Public Affairs-Vereinigung (ÖPAV). Er ist heute als Managing Partner von 365 Sherpas Consulting tätig.
https://oepav.at/wp-content/uploads/2021/07/Thierry_Friedl.jpg13311920digitalcheckhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngdigitalcheck2021-07-08 14:09:502021-07-08 15:24:29Online ist keine Compliance-freie Zone
Social Media wird auch für die politische Kommunikation immer wichtiger. Das zeigt eine Untersuchung der Beratungsagentur Grayling, die das Nutzungsverhalten von Politiker*innen aus ganz Europa analysiert hat. Moritz Arnold, Senior Director von Grayling Austria, beschreibt in seinem Beitrag, welchen Einfluss Land, Geschlecht, Alter und politische Ausrichtung auf die Kommunikation in sozialen Medien haben – und wie Österreich im europäischen Vergleich abschneidet.
Grayling führte die Studie gemeinsam mit dem Social-Media-Intelligence-Unternehmen Linkfluence durch. Dabei wurden fast 3 Millionen Beiträge analysiert, die von Abgeordneten aus 17 europäischen Ländern sowie dem Europäischen Parlament auf Twitter, Facebook und Instagram gepostet wurden.
Die wichtigsten Ergebnisse:
Die österreichischen Parlamentarier liegen mit durchschnittlich 296 Beiträgen auf Social Media im europäischen Mittelfeld. Die Parlamentsabgeordneten aus Spanien, Polen sowie Deutschland sowie die Gruppe der MEPs (Members of European Parliament) posten am häufigsten.
Facebook ist in Österreich die Nummer 1 Plattform gefolgt von Twitter und Instagram. Europaweit ist Twitter der Kanal der Wahl.
Die Engagement-Raten sind bei Politiker*innen wesentlich höher als bei Influencer*innen oder Marken, wie Benchmark-Vergleiche zeigen.
Abgeordnete des rechten politischen Spektrums sind auf Social Media überproportional aktiv.
Parlamentarier aus der „Boomer“-Generation sind die aktivste Altersgruppe auf den analysierten Kanälen.
Social Media-Nutzung in der Bevölkerung
Die allgemeine Social Media-Nutzung variiert in den 17 analysierten europäischen Ländern enorm. Während in Schweden 82 % der Bevölkerung soziale Kanäle nutzen, sind es in Serbien nur knapp 53 %. Und so unterscheiden sich auch die Aktivitäten der Parlamentarier*innen pro Land massiv: 690 Postings pro Parlamentarier*in gab es in den ‚Cortes Generales‘, dem spanischen Parlament – damit sind die Spanier*innen absolute Spitzenreiter*innen. Dem gegenüber stehen die bulgarischen Abgeordneten, die es auf durchschnittlich 24 Postings bringen.
Abgeordnete nutzen Plattformen anders als ihre Wähler*innen
In allen 17 Ländern – mit einer Ausnahme – ist Facebook innerhalb der Bevölkerung die beliebteste der drei analysierten Plattformen, Instagram liegt an zweiter und Twitter an dritter Stelle. Die Ausnahme ist Russland – im „VKontakte-Land“ liegt Instagram an erster Stelle, gefolgt von Facebook und Twitter.
Bei den Abgeordneten hingegen liegt Twitter (67 % der Inhalte) an der Spitze, gefolgt von Facebook (28 %) und Instagram (5 %).
Dass Twitter die beliebteste Social-Media-Plattform unter Politiker*innen ist, kommt nicht überraschend. Die Ergebnisse verdeutlichen aber die Vielfalt und die Länderbesonderheiten, die es in Europa gibt. Es gibt einige lokale Ausnahmen und sogar zwischen Nachbarländern klare Unterschiede.
Bei den Nationalrats-Abgeordneten in Österreich ist beispielsweise Facebook mit 88 % der Nummer 1 Kanal.
Um lokale Dynamiken zu verstehen, ist es für Unternehmen daher unerlässlich, mit Expert*innen in den jeweiligen Zielmärkten zusammenzuarbeiten. Eine Kampagne für mehrere Märkte ohne lokale Anpassungen sollte passé sein.
Abgeordnete sind die wahren Influencer*innen
Ein Blick auf die durchschnittliche Engagement-Rate von Abgeordneten in ganz Europa zeigt, dass sie ihr Publikum über Instagram, Facebook und Twitter vergleichsweise viel effektiver als Marken und sogar „klassische Influencer“, wenn man Social-Media-Benchmarks vergleicht. Wieso? Zum einen folgen User*innen Lifestyle-Accounts eher passiv, während das Folgen eines/r Abgeordneten in der Regel zu „aktivem“ politischen Engagement führt und dazu, dass Follower ihre Meinung zu den Posts äußern. Zum anderen haben Politiker*innen schnell verstanden, dass Social-Media-Plattformen eine einzigartige Möglichkeit darstellen, die Kommunikation mit Bürger*innen zu verändern. Es braucht nicht mehr den „Umweg“ über klassische Medien, um eine Debatte anzuregen oder um Positionen der Wähler*innen in Echtzeit abzufragen.
Männliche und weibliche Abgeordnete nutzen soziale Medien unterschiedlich
Männliche Abgeordnete posten im Vergleich zu weiblichen etwas mehr auf Facebook. Frauen sind hingegen auf Twitter (und Instagram) aktiver als Männer. Die durchschnittlichen Engagement-Raten für weibliche Abgeordnete sind etwas höher als für männliche Abgeordnete – zumindest auf Facebook und Twitter.
Dass weibliche Abgeordnete Twitter noch mehr bevorzugen als Männer, ist eine Überraschung, wenn man bedenkt, dass Twitter generell die am stärksten von Männern dominierte Plattform ist.
In den sozialen Medien und ganz besonders auf Twitter sind Politikerinnen zudem Beschimpfungen und Untergriffen deutlich öfters ausgesetzt als ihre männlichen Kollegen. Das liegt zum Teil daran, dass weibliche Abgeordnete im Durchschnitt jünger sind (unsere Analyse zeigt, dass jüngere Abgeordnete Twitter und Instagram bevorzugen) und auch eher dem linken Parteispektrum angehören (insbesondere der linken Mitte, wo Twitter eindeutig die bevorzugte Plattform ist).
Und warum sehen weibliche Abgeordnete höhere Engagement-Raten für ihre Beiträge auf Twitter und Facebook? Eine Reihe von Mikroanalysen hat gezeigt, dass jene Beiträge das stärkste Engagement erzeugen, die den richtigen Ton im richtigen Moment finden, konstruktiv sind und nicht versuchen, billige politische Punkte zu machen. Vielleicht haben Politikerinnen hier einen Vorteil gegenüber ihren männlichen Kollegen.
Das Alter macht den Unterschied
Das Alter wirkt sich auf die Nutzung sozialer Medien aus – die meisten von uns kennen das aus der eigenen Familie. Überraschend ist, dass die jüngsten Abgeordneten (die unter 35-Jährigen, die etwa 10 % der analysierte Parlamentarier*innen ausmachen) nicht die aktivste Gruppe in den sozialen Medien sind. Sie sind jedoch auf Instagram am aktivsten und ihre Inhalte generieren die höchsten Engagement-Raten auf allen drei Plattformen. Das deutet darauf hin, dass es den jüngsten Abgeordneten eher um Qualität als um Quantität geht: Sie verstehen es, soziale Medien gezielt zu nutzen. Für sie zählen Kommentare, Likes, Shares und Retweets mehr als viele eigene Postings.
Rechtsorientierte Parteien sind überproportional aktiv
Unsere Analyse zeigt, dass Politiker*innen aus dem rechten Spektrum am effektivsten beim Aufbau einer Anhängerschaft in den sozialen Medien sind. Die Botschaften der Rechten sind am gleichmäßigsten über alle drei Plattformen verteilt – ein Hinweis darauf, dass sie am effizientesten beim Teilen von Inhalten und am konsequentesten bei deren Nutzung sind. Die Abgeordneten der rechten Parteien haben das höchste Engagement auf Twitter, welches natürlich auch auf kritischen Kommentaren von Gegner*innen basiert. Alles in allem gewinnen die Rechten im Moment in den sozialen Medien. Und zwar mit großem Vorsprung auf Twitter und Instagram. Sie haben sich hier eine Plattform für ihre Botschaften geschaffen, die ihnen früher über traditionelle Medien nicht zur Verfügung stand. Es bleibt abzuwarten, ob dies ein dauerhafter struktureller Vorteil für die rechtsorientierten Politiker*innen ist. Soziale Medien machen es nicht einfach, politischen Kontext, Komplexität und Nuancen zu vermitteln. So könnten Initiativen, die Inhalte auf den Plattformen stärker moderieren oder das Bestreben anderer politischer Gruppen, ihre Botschaften in sozialen Medien besser zu kommunizieren, dazu führen, dass dieses Phänomen zeitlich begrenzt ist.
Die Studie umfasst die Abgeordneten zum Europäischen Parlament sowie die Parlamentarier*innen aus Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Österreich, Polen, Russland, Schweden, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn sowie dem Vereinigten Königreich. Der Zeitrahmen der analysierten Posts war das gesamte Jahr 2020.
https://oepav.at/wp-content/uploads/2021/06/MA2_small-e1624278948992.jpg9611772digitalcheckhttps://oepav.at/wp-content/uploads/2020/12/oepav-logo-colorElement-1@2x.pngdigitalcheck2021-06-21 14:36:132021-06-21 14:42:45Grayling-Analyse: Wer postet, regiert